Vom Korn zum Brot

Ohne die gemeinsame, tägliche Arbeit von Menschen in genossenschaftlich organisierten Unternehmen würde die Agrar- und Ernährungswirtschaft nicht funktionieren. Ein Blick auf die Vielfalt genossenschaftlicher Wertschöpfung.

Es ist der Inbegriff eines gemütlichen Wochenendes: ein ausgiebiges Frühstück mit frischem Brot und leckeren Brötchen vom Bäcker, belegt mit Käse, Marmelade oder Aufschnitt, dazu ein Kaffee mit aufgeschäumter Milch. So einfach kann ein perfekter Tag beginnen. Doch wie viele Zahnrädchen ineinandergreifen müssen, wie viele Menschen und Unternehmen beteiligt sind und wie viele Maschinen
und Innovationen zum Einsatz kommen, bis das Brötchen auf dem Frühstücksteller liegt, darüber machen sich die wenigsten Menschen Gedanken. Und das müssen sie auch nicht: Denn darum kümmern sich Genossenschaften in Deutschland.

Es beginnt mit einem Saatkorn

Auf nahezu allen Stufen der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette sind Genossenschaften maßgeblich beteiligt – und zwar schon bevor das erste Saatkorn vom Landwirt in die Erde gebracht wird. Denn bereits bei der Züchtung, Vermehrung sowie dem Handel des Saatguts setzt die genossenschaftliche Wertschöpfungskette ein. Die Landwirtinnen und Landwirte können sich darauf verlassen, von ihrer Genossenschaft zertifiziertes Saatgut geliefert zu bekommen, ebenso wie notwendige Pflanzenschutz- und Düngemittel – inklusive einer qualifizierten Beratung zum effizienten und ressourcenschonenden Einsatz der Betriebsmittel.

Kooperation von Landwirten

Auch die Maschinen, mit denen das Getreide, Ölfrüchte oder Eiweißpflanzen eingesät, versorgt und später geerntet werden, werden oftmals über genossenschaftliche Unternehmen bezogen, von ihnen gewartet und repariert. 38 Prozent der Landmaschinen in Deutschland werden von genossenschaftlichen Unternehmen vertrieben. Kleinere landwirtschaftliche Betriebe greifen übrigens oft auf genossenschaftliche Modelle zurück, um erforderliche Maschinen in Kooperation mit anderen Landwirten zu nutzen. So können getreu dem Grundgedanken von Friedrich Wilhelm Raiffeisen „was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele“ Maschinen effizient eingesetzt und Lasten verteilt werden. Das gedroschene Getreide verkauft der Landwirt oder die Landwirtin dann an die Raiffeisengenossenschaft vor Ort. Die Hälfte des gesamten deutschen Getreides geht direkt durch eine Genossenschaft. Hunderte Getreideerfassungsstandorte gibt es vom hohen Norden bis in den tiefen Süden, von der holländischen bis zur polnischen Grenze, direkt in der Landwirtschaft auf dem Hof oder an den wichtigsten Wasserstraßen.

Nach der Annahme der Rohware kümmert sich die Genossenschaft um die Lagerung und Gesunderhaltung der Ware, damit diese zu einem späteren Zeitpunkt in bester Qualität an Brotmühlen, die Futtermittelwirtschaft oder in internationale Märkte gehalten werden können. Auf diese Weise kommt eine weitere Kompetenz von Genossenschaften innerhalb der Wertschöpfungskette zum Tragen: Logistik und Transport – sei es auf der Straße, der Schiene oder per Schiff. Innerhalb der Wertschöpfungskette übernehmen die genossenschaftlichen Mischfutterwerke einen wichtigen Part. Denn nicht nur das Futtergetreide ist ein wichtiger Bestandteil des Futters für Nutztiere wie Rinder, Schweine oder Geflügel, sondern auch viele Nach- und Nebenprodukte aus Mühlen, der Zuckerwirtschaft oder der Pflanzenölproduktion. Wiederum sind es oftmals Genossenschaften, die dafür sorgen, dass die Höfe überall in Deutschland auf die Bedürfnisse der Tiere angepasste Rezepturen bekommen und das so produzierte, qualitativ hochwertige Futter zum richtigen Zeitpunkt geliefert bekommen. Auf diese Weise bekommendie Verbaucherinnen und Verbraucher am Ende der Wertschöpfungskette für Lebensmittel hochwertige veredelte tierische Nahrungsmittel wie Fleisch oder Milch im Raiffeisenmarkt, auf dem Wochenmarkt oder im Lebensmitteleinzelhandel

Veredelung und Vermarktung

Die genossenschaftliche Wertschöpfungskette endet jedoch nicht auf dem Acker oder auf dem Hof eines Landwirts oder einer Landwirtin oder in einem genossenschaftlich organsi Mehrfamilienbetrieb, einer sogenannten Agrargenossenschaften. Auch die weitere Verarbeitung der Rohwaren wie Milch, Getreide oder Fleisch erfolgt häufig in genossesnchaftlich organisierten Unternehmen. 67 Prozent der Milch liefern die Erzeuger in Deutschland an Genossenschaften ab. Die genossenschaftlichen Molkereien produzieren daraus Milch, Käse, Joghurt und vieles mehr und sind somit die wichtigsten Partner für die Milcherzeuger – besonders auch für die kleinen Betriebe, die mitunter infrastrukturell mäßig angebundenen Regionen liegen. Die Genossenschaften garantieren verlässlich die Abnahme der verderblichen Ware „Rohmilch“. Und so gibt es auch bei anderen Lebensmitteln viele Beispiele – etwa Fleisch: Ein Drittel der lebenden Schweine und Rinder in Deutschland werden von Genossenschaften vermarktet. Oder Kartoffeln: Jede zweite Pommes Frites stammt aus einer Genossenschaft. Stark sind die Genossesnchaften auch in der Vermarktung von Obt und Gemüse engagiert, so wird beispielsweise Jeder zweite deutsche Apfel wird in einer Genossenschaft geerntet. Und nicht zuletzt ist jede zweite Flasche deutschen Weins im Lebensmitteleinzelhandel ein Genossenschaftswein. Die Winzerund Weingärtnergenossenschaften in allen Anbaugebieten bewirtschaften einen großen Anteil der gesamten Rebfläche in Deutschland. Auf diese Weise produzieren sie nicht nur wunderbare Weine, sondern sie tragen auch entscheidend für den Erhalt einzigartiger Kulturlandschaften bei – und sind damit wichtiges Glied der Wertschöpfungskette Tourismus mit all seinen Facetten.

Die Kette schließt sich

Zurück zum Brötchen auf unserem Frühstücksteller: Auch seinen Weg vom Korn bis in die Bäckerei liegt nicht nur bei der Mühle ein Stück Genossenschaft am Weg. Bei Bäckereien spielt der Genossenschaftsgedanke ebenfalls eine überragende Rolle: Rund 13.000 Bäcker- und Konditor-Unternehmen in Deutschland und Österreich bauen auf die Kompetenz des genossenschaftlichen Großhandels BÄKO und seiner 25 Regionalgenossenschaften, die für die Handwerksbetriebe vor Ort eine lückenlose Versorgung mit allen notwendigen Rohstoffen und Materialien sicherstellt. Somit schließt sich die „Kette“ vom Saatgut bis zum Brötchen.

Nachhaltige Dienstleistungen

Kurz und knapp zusammengefasst kann man sagen: Auf Genossenschaften der Agrar- und Ernährungswirtschaft entfällt ein erheblicher Anteil der Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte und Rohstoffe. Sie sind auf sämtlichen Ebenen der Lebensmittelerzeugung unverzichtbarer Bestandteil entlang der Wertschöpfungskette. Ohne sie wären die Ketten immer wieder unterbrochen. Und sie unterstützen mit Beratung, Forschung, Qualitätsmanagement, digitalen und innovativen Lösungen und haben Konzepte für alle Themen rund um das nachhaltige und CO2-reduzierte Wirtschaften im Agrarsektor. Eine Wertschöpfungskette Landwirtschaft ist ohne Genossenschaften schlichtweg nicht denkbar.
Aber nicht nur direkt in der Landwirtschaft übernehmen die Genossenschaften eine wichtige Funktion, sondern auch für den ländlichen Raum sind diese als Versorger und Arbeitgeber eine wichtige Säule der Gemeinschaft in Deutschland. So sind Genossenschaften auch Energielieferant, sie betreiben Tankstellen, PV Anlagen, Windräder, stellen Biomethan her oder kümmern sich um den Ausbau der dezentralen Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität. Mit den Raiffeisenmärkten und als Baustoffhändler übernehmen sie Verantwortung als wichtiger und spezialisierter Versorger für Landwirte ebenso wie für Endkunden.

Die These ist zwar nicht wissenschaftlich belegt, aber durchaus denkbar: Nahezu jedes landwirtschaftlich produzierte Lebensmittel in Deutschland hat direkt oder indirekt Kontakt mit Genossenschaften, bis es letztendlich bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommt. Zumal die genossenschaftliche Wertschöpfungskette unglaublich vielfältig ist und auch viele gewerbliche Genossenschaften aus den Bereichen Handel, Handwerk, Dienstleistungen oder Energie als Unternehmen des vor- oder nachgelagerten Bereiches eine wichtige Rolle für den Agrar- und Ernährungssektors spielen.

Wesentlicher Wirtschaftsfaktor

Kurzum: Genossenschaften haben maßgeblichen Anteil, an der sicheren und zuverlässigen Versorgung der Bevölkerung mit gesunden und bezahlbaren Lebensmitteln. Dabei agieren sie aus tiefer Überzeugung nachhaltig und vereinen wirtschaftliches Streben mit sozialer Verantwortung. Hinzu kommt: Die genossenschaftlich orientierten Unternehmen sind vor allem in ländlichen Räumen wichtiger Wirtschaftsfaktor, Arbeitgeber und Gestalter der sozialen, kulturellen und ökoinomischen Strukturen. Sie beschäftigen rund 105.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und jährlich mehr als 6.000 Auszubildende. Für das Brötchen auf unserem Frühstückstisch – auch wenn man es ihm nicht ansieht.

Lesen Sie unter diesem Link weiter in unserer aktuellen ko:operativ-Ausgabe zum Thema Wertschöpfungskette.